Gesamtschule: Spindelegger lässt Wallner abblitzen

Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) hat seinen Vorarlberger Parteifreund Landeshauptmann Markus Wallner mit dessen Wunsch nach einer Modellregion für die Gesamtschule am Mittwoch abblitzen lassen. „Ich bin ja nicht das Christkind, dass ich alles erfüllen kann“, so Spindelegger vor dem Ministerrat.

Wallner hatte am Dienstag neuerlich die Einrichtung einer Modellregion zur Erprobung der gemeinsamen Schule der unter 14-jährigen Kinder in Vorarlberg gefordert und dem Bund vorgeworfen, das Thema zu blockieren - mehr dazu in Gemeinsame Schule noch „Jahre entfernt“.

Spindelegger signalisierte laut Austria Presse Agentur (APA) am Mittwoch vor dem Ministerrat allerdings kein Entgegenkommen für seinen Parteifreund, im Gegenteil: Im Regierungsprogramm habe man zur Bildungsreform Maßnahmen definiert, die sich sehen lassen könnten - etwa die Neuordnung des Übergangs vom Kindergarten in die Volksschule. Dass es darüber hinaus immer wieder zusätzliche Wünsche gebe, sei zwar normal, aber er sei ja nicht das Christkind, dass er alles erfüllen könne, sagte der Vizekanzler. Im Übrigen erinnerte er daran, dass das Regierungsprogramm im ÖVP-Vorstand einstimmige Zustimmung erfahren habe, „auch von Landeshauptmann Wallner“.

Ablehnung auch von Mitterlehner

Deutlich auch die Absage von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP): „Das ist für mich kein Thema“, so der oberösterreichische Minister, ebenfalls mit Verweis auf das Regierungsprogramm. Außerdem plädierte Mitterlehner dafür, derartige Fragen erst parteiintern abzuklären, bevor man sich öffentlich positioniere. Eine klare Absage an den Vorarlberger Wunsch nach einer Gesamtschulmodellregion war zuletzt auch aus der oberösterreichischen und niederösterreichischen ÖVP gekommen.

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Sie sehen einen Beitrag von F.M. Hinteregger; zu sehen sind Michael Spindelegger und Markus Wallner.

Wallner: „Wir werden uns nicht aufhalten lassen“

Wallner erklärte am Mittwoch nach dem Ministerrat in einem Telefoninterview mit ORF-Redakteur David Breznik, dass er nicht sonderlich überrascht von der Absage der Bundesregierung zum Schulversuch sei. Im Regierungsprogramm sei schließlich keine diesbezügliche Formulierung eingeflossen. Zwar sei das Thema Gesamtschule kein Bestandteil des Koalitionsabkommens, aber man werde „an der Sache dranbleiben“, so Wallner. Dass eine Modellregion in einem Bundesland nicht machbar sei, könne er aus dem Koalitionsvertrag jedenfalls nicht herauslesen.

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Audio: Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im Interview mit ORF-Redakteur David Breznik

Auf jeden Fall habe man einen Anstoß dazu gegeben, über diese Fragen offen und zukunftsorientiert zu diskutieren. Er lasse sich in Vorarlberg auch das Denken darüber nicht verbieten. Deshalb werde ein Projekt, bei dem über Verbesserungen für zehn- bis 14-jährige Schüler nachgedacht werde, auch weiterführen. „Wir werden uns nicht aufhalten lassen“, betonte Wallner - auch wenn die Situation sicherlich deutlich schwieriger werde. Denn für eine Weiterentwicklung im Bildungsbereich würde man auch den Bund benötigen, so Wallner.

Bundeskanzler Faymann gegen Streitereien

SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann betonte nach dem Ministerrat, dass er zwar grundsätzlich für die Gesamtschule eintrete, sich diesbezüglich aber an das Regierungsprogramm gebunden fühle. „Streitereien in einer Regierung brauchen wir keine, wir haben genug zu tun mit dem, was wir vereinbart haben.“

SPÖ: Modellregion auch ohne Gesetzesänderung

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kündigte am Mittwoch dennoch einmal mehr an, mit den Bundesländern und dem Koalitionspartner ÖVP über das Thema Gesamtschule reden zu wollen. Die von Wallner ins Treffen geführte Einführung einer Modellregion Vorarlberg mittels einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat hält sie nicht für nötig. Wallner könne die Modellregion nämlich auch ohne Gesetzesänderung einführen, indem er die Vorarlberger Gymnasien überrede, bei der neuen Mittelschule mitzuwirken. Eine Zweidrittelmehrheit wäre nur nötig, um die Gymnasien generell abzuschaffen, was sie aber derzeit nicht anstrebe: „Ich denke nicht daran, eine Zweidrittellösung herbeizuführen und die AHS aufzulösen.“

Heinisch-Hosek will über das Thema nun mit den Bundesländern reden. Den Auftakt macht ihren Angaben zufolge ein Treffen mit Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ). Danach steht das VP-regierte Niederösterreich auf dem Programm.

Egger wirft Wallner Scheingefechte vor

FPÖ-Obmann Dieter Egger wirft Landeshauptmann Wallner das Führen von Scheingefechten im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Schule vor. Wallner treibe das Spiel zu weit, wenn er zuerst das Regierungsabkommen unterschreibe und dann sage, er sei ja für eine Modellregion Gemeinsame Schule Vorarlberg, „wenn da nicht die böse Bundes-ÖVP wäre“, so Egger wörtlich.

SPÖ-Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek habe Wallner im Übrigen mehr als deutlich ausgerichtet, dass es nicht nachvollziehbar sei, sich jetzt auf eine notwendige ZweidrittelMehrheit im Nationalrat hinauszureden. Wallner könne die Modellregion nämlich auch ohne Gesetzesänderung einführen, indem er mit den Vorarlberger Gymnasien erfolgreiche Verhandlungen führe, bei der Modellregion Gemeinsame Schule mitzuwirken. Wenn Wallner immer vom eigenständigen Vorarlberger Weg spreche, dann solle er ihn auch gehen.

SPÖ: Absage nicht zur Kenntnis nehmen

Gabi Sprickler-Falschlunger, Bildungssprecherin der SPÖ, sagt in einer Aussendung, es scheine Wallner bei seiner Zustimmung gar nicht aufgefallen zu sein, dass im Koalitionsvertrag das Wort „Gemeinsame Schule“ nicht einmal vorkomme. Jetzt falle ihm diese Zustimmung auf den Kopf. Für die Vorarlberger SPÖ sei das der Hauptgrund gewesen, den Koalitionsvertrag abzulehnen.

Im Interesse der Kinder und der Zukunft des Landes dürfe Wallner die Absage Spindeleggers nicht zur Kenntnis nehmen.

Grüne: „Bildungspolitische Chaos-Tage"

Von „bildungspolitischen Chaos-Tage in der ÖVP" spricht Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen. Er sei verwundert über die widersprüchlichen Aussagen führender ÖVP-Vertreter für eine Modellregion Gemeinsame Schule. „Einerseits gibt es in der ÖVP starke konstruktive Kräfte mit dem ehrlichen Bemühen um eine moderne und gerechte Schule, im entscheidenden Moment setzen sich andererseits aber immer die Ideologen mit ihrer Vorstellung einer Steinzeit-Pädagogik durch“, meint Walser in einer aussendung.

Walser sagt, er biete den Regierungsparteien erneut eine „bildungspolitische Reformpartnerschaft“ an. „Damit ist die Ausrede Wallners vom Tisch, die von ihm als dringend notwendig bezeichnete Reform scheitere an der notwendigen parlamentarischen Zwei-Drittel-Mehrheit. Nachdem SPÖ und Grüne für die Reform sind, scheitert diese ausschließlich an Wallners eigener Partei“, sagt Walser.