Kinder auf der schiefen Bahn - was tun?

Wenn Kinder Brände legen oder Autos knacken, handelt es sich um extreme Einzelfälle, so Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch. Gesetzesverstöße in jungen Jahren nähmen nicht zu, sondern ab, und deshalb reichten die freiwilligen Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe.

Zwei zehnjährige Kinder legten am Sonntag in Höchst bei einer Müll-Insel Feuer. Mehrere Säcke mit Plastik-Müll gerieten in Brand. Ein Passant konnte die Flammen mit einem Handfeuerlöscher ersticken. Die beiden zehnjährigen Schüler wurden nach Zeugenaussagen von der Polizei ausgeforscht. Die Polizei klärt zwar die Taten von Kindern auf, doch dann sind Polizei und Justiz die Hände gebunden. Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig, das heißt, sie können strafrechtlich nicht verfolgt werden.

Polizei ist machtlos

Für Aufsehen sorgte vor kurzem auch eine junge Autoknackerbande in Dornbirn. Die Polizei fasste neun Verdächtige. Sie brachen angeblich in Autohäuser ein und unternahmen Spritztouren mit gestohlenen Fahrzeugen. Der jüngste mutmaßliche Autodieb war 13 Jahre und amtsbekannt. Die Polizei musste ihn laufen lassen.

Diskussion über Hausarrest

Es sind Fälle, die immer wieder für Diskussionen über Zwangsmaßnahmen für Strafunmündige sorgen. Im Kreis der Familienrichter, der Kinder- und Jugendhilfe (bisher Jugendwohlfahrt) oder der Kinder- und Jugendanwälte dreht sich die Debatte einerseits um Zwangsmaßnahmen für unter 14-Jährige - etwa Hausarrest - oder eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zehn Jahre, wie in der Schweiz.

Keine Verschärfung

Außer Rand und Band geratene Kinder sind extreme Einzelfälle, sagt Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch. Er widerspricht allen, die eine Zunahme der Kriminalität von Kindern beobachten. Das Gegenteil sei der Fall, so Rauch. Einzelfälle rechtfertigen nach Ansicht von Rauch weder eine Senkung der Strafmündigkeit auf zehn Jahre noch die Einrichtung geschlossener Anstalten für Strafunmündige. Heute sind Maßnahmen auf freiwilliger Basis möglich, also wenn Kinder und Eltern einwilligen. Rauch tritt dafür ein, dass es so bleibt. Die Kinder- und Jugendhilfe bietet dazu verschiedene erzieherische Maßnahmen an.

Auszug aus der Kriminalstatistik

Die meisten Tatverdächtigen sind über 25 Jahre, den geringsten Anteil an Straftaten verüben Zehnjährige bis 14-Jährige. Die Zahlen sind seit Jahren nahezu unverändert. Im 1. Halbjahr 2013 ermittelte die Polizei insgesamt 6.884 Tatverdächtige. Die wenigsten Anzeigen entfielen auf Personen unter zehn Jahre (0,5 Prozent) und auf Zehn- bis 14-Jährige (2,5 Prozent).

Die Altersgruppe 25 bis 40 Jahre führt bei den Straftaten mit 30,4 Prozent, dann folgt die Altersgruppe 40 Jahre und älter mit 29,4 Prozent. 14- bis 18-Jährige und 18- bis 21-Jährigen machten 12,2 Prozent aus, geht aus Zahlen des Landespolizeikommandos Vorarlberg hervor.

Haftung für Kinder

Kinder sind weder strafrechtlich verfolgbar noch haftbar zu machen. Deshalb haften ihre Eltern, sollten sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Das hängt immer vom Einzelfall ab, so der Innsbrucker Rechtsprofessor Michael Ganner. Ist ein Zehnjähriger zur Mittaggszeit unterwegs, dann dürfte in der Regel keine Aufsichtspflichtverletzung vorliegen. Ein Geschädigter habe dann Pech gehabt, außer Eltern hätten für ihr Kind eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.

Ausnahme „Verschuldensfähigkeit“

Ganner weist darauf hin, dass auch bei einem Kind eine Verschuldensfähigkeit festgestellt werden könne. Wenn ein Kind unter 14 Jahren sein Fehlverhalten und die Tragweite einer Tat klar erkennen könne (weil es hochbegabt oder früher entwickelt ist), könne es unter Umständen selbst haften. In diesem Fall würde etwa auf ein Sparbuch des Kindes zurückgegriffen.

Link: