Emotionale Wahldiskussion in Nenzing

Unter Moderation von Daniel Rein (ORF) und Johannes Huber (VN) fand Freitagabend im Liebherr-Werk in Nenzing eine Diskussion zur NR-Wahl 2013 statt. Die Wogen gingen besonders bei den Themen Bildung und Kinderbetreuung hoch.

Koalitionsfrage

Am Ende der Diskussion wurde noch die Koalitionsfrage gestellt. Die SPÖ will bekanntlich nicht mit der Strache-Partei und warnt vor Schwarz-Blau, die ÖVP schließt niemanden aus. Die Grünen - und das war doch neu - sehen mehr Gestaltungsmöglichkeiten als Oppositionspartei bei einer Minderheitsregierung, als in einer Dreier-Koalition. FPÖ, BZÖ und Team Stronach legen sich nicht fest.

Zu Beginn der Diskussion stand das Thema Wirtschaft im Fokus. Karlheinz Kopf (ÖVP) plädierte für eine Entfesselung der Realwirtschaft - Fesseln, die durch Regulative und Bürokratie gegeben seien. Es gelte, die Betriebe zu befreien von allem, das sie daran hindere zu expandieren - etwa von den viel zu hohen Lohnabgaben. Der Wirtschaft selbst, so Kopf, gehe es gut.

Grünen-Bildungssprecher Harald Walser warf ein, dass die von Kopf geforderte Entfesselung der Realwirtschaft längst schon durchgeführt hätte werden können. Er sieht vor allem Handlungsbedarf bei Klein- und Mittelunternehmen gegeben.

Thomas Bachheimer

ORF

Thomas Bachheimer (Team Stronach): „Der Finanzwirtschaft wurde zu Ungunsten der Realwirtschaft zu viel geholfen.“

Christof Bitschi von der FPÖ sieht die Senkung der Lohnnebenkosten ebenso als eine dringliche Notwendigkeit an.

SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer sagte, es bestehe die Gefahr, dass Wirtschaftsförderung auf Kosten der Arbeitnehmer gehe - Stichwort „Zwölfstunden-Arbeitstag“. Prinzipiell sei man gut durch die Wirtschaftskrise gesteuert. Es gelte nun, die Rahmenbedingungen auch zu halten.

Thomas Bachheimer vom Team Stronach erachtet es als problematisch, dass Arbeitnehmer, Firmen und Manager zu sehr an Koalitionszwänge gebunden seien. Der Finanzwirtschaft sei zu Ungunsten der Realwirtschaft zu viel geholfen worden – das sollte zurückgefahren werden, so Bachheimer.

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Beitrag von Stefan Krobath zur Wahldiskussion

Lehrlingsmangel: Defizite bei Schulabgängern

In punkto Fachkräfte- und Lehrlingsmangel erklärte Mayer, man müsse dafür sorgen, dass Schulabgänger sinnerfassend lesen können sowie die Grundrechnungsarten beherrschen. Hierfür brauche es eine neue Bildung in Form einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen.

Manfred Dorn vom BZÖ ist es wichtig, eigene Fachkräfte auszubilden, anstatt sie vom Ausland nach Vorarlberg zu holen. Auf die Frage, wie die Lehre attraktiver werden könne, meinte er, dazu falle ihm auch nichts ein.

Für Kopf kommt das Thema der dualen Ausbildung bei der Bildungsdebatte zu kurz. Er wies darauf hin, dass Betriebe immer mehr Schwierigkeiten hätten, geeignete Lehrlinge zu finden. Er bedauere, dass sich die Bildungsdebatte nur um die gemeinsame Schule drehe – denn die meisten Defizite würden Kinder im Bildungsbereich bis zum zehnten Lebensjahr sammeln und nicht danach.

Christof Bitschi

ORF

Christof Bitschi (FPÖ) sieht es als problematisch an, dass die Lehre laufend abgewertet werde.

Bitschi kritisierte, dass das Lehrlingsthema bei der Bildungsdebatte auf der Strecke geblieben sei. Der Lehrberuf werde zudem laufend abgewertet. Für die FPÖ sei wichtig, dem entgegenzuwirken und dafür zu sorgen, dass jeder Lehrling einen Arbeitsplatz bekomme.

Auch Bachheimer ortet eine Kluft zwischen Bildung und Lehre. Seiner Ansicht nach gibt es einen Druck, geisteswissenschaftliche Studien zu absolvieren, was problematisch sei.

Walser hält die duale Ausbildung für eines der wenigen Vorzeigestücke des österreichischen Bildungssystems. Die Lehrlingssituation selbst sei dramatisch: Jährlich gebe es 5.000 – 6.000 Lehrlinge weniger. Die Wirtschaftskammer müsse viel Geld zahlen, damit Lehrlinge überhaupt lesen und schreiben lernen – das sei ein Armutszeugnis für den Bildungsstandort Österreich.

Wahldiskussion

ORF

Von links: Manfred Dorn (BZÖ), Harald Walser (Grüne), Elmar Mayer (SPÖ-Bildungssprecher), Johannes Huber („Vorarlberger Nachrichten“), Daniel Rein (ORF), Christof Bitschi (FPÖ), Karlheinz Kopf (Klubobmann der ÖVP im Nationalrat), Thomas Bachheimer (Team Stronach)

Gemeinsame Schule als Streitpunkt

Beim Thema „gemeinsame Schule“ machte Dorn deutlich, dass das BZÖ am Gymnasium festhalte. Für Bachheimer ist der Bildungsinhalt wichtiger als die Schulform: Ernährung, Wirtschaft und der Umgang mit Geld sollten etwa früh vermittelt werden.

Elmar Mayer

ORF

SPÖ-Bildungssprecher Mayer will nicht mehr länger Bildungssprecher sein, wenn die gemeinsame Schule nicht ins Regierungsprogramm kommt.

Mayer erklärte, es werde „keinen Bildungssprecher Elmar Mayer“ mehr geben, wenn die gemeinsame Schule nicht im Regierungsprogamm sei. Außerdem sollte seiner Ansicht nach die Frühförderung forciert werden – einen Defizite-Rucksack, den Kinder bei Schulbeginn mitbringen, könne das Bildungssystem in den nächsten Jahren nicht mehr abbauen. Darum kämpfe die SPÖ so stark für ganztägige Bildungseinrichtungen.

Für Bitschi dauert die Diskussion um die gemeinsame Schule schon viel zu lange – das sei quasi ein 30-jähriger Krieg. Für die FPÖ sei wichtig, dass die Rahmenbedingungen im Bereich der Bildung verbessert werden – das könne schneller umgesetzt werden als die Gesamtschule. Zudem sei ein Migrationsanteil von 20-30 Prozent genug. Außerdem, so Bitschi, versickere im Bildungssystem viel Geld im gesamten Verwaltungsapparat – hier sollte man endlich eingreifen.

Walser verdeutlichte, dass durch die frühe Trennung der Kinder seiner Ansicht nach sehr viele Probleme in der Volksschule entstünden. Teilweise würden Kinder bereits in der zweiten Volksschulklasse Nachhilfe bekommen, anstatt dass man ihnen Zeit gebe und sie miteinander lernen lasse. Er nannte als Vorzeigebeispiel Südtirol. Hier gebe es eine gemeinsame Schule und die Kinder dort würden weitaus bessere Leistungen als etwa in Nordtirol erbringen. In Österreich hingegen hänge es an der Bundespolitik - konkret an „einigen verzopfte Herrschaften von der ÖVP“, die eine gemeinsame Schule verhinderten.

Karlheinz Kopf

ORF

Karlheinz Kopf (ÖVP): „Die gemeinsame Schule wird überbewertet.“

Die gemeinsame Schule wird nach Ansicht von Kopf überbewertet. Man rede insgesamt viel zu viel über Strukturfragen statt über Inhalte. Viel wichtiger sei die Frühförderung. Südtirol habe bessere Pisa-Ergebnisse, pflichtet er Walser bei. Jedoch sei dort auch die Frühförderung exzellent.

Das Gymnasium, so Kopf, werde bleiben – jedoch würden die Anstrengungen in den Neuen Mittelschulen, vormals Hauptschulen, verstärkt. Man tue überdies immer so, als ob im Bildungsbereich nix passiert sei – das stimme aber nicht. Von der Neuen Mittelschule bis zum modularen Oberstufenkonzept sei einiges umgesetzt worden.

Disput um „Zwangserziehung“

Mayer konterte, dass die ÖVP einerseits die Frühförderung bejuble und dann inseriere „Stoppt den Zwangskindergarten“. Dabei wolle niemand von den Sozialdemokraten Eltern dazu verpflichten, ihre einjährigen Kinder bereits aus der Hand zu geben.

Kopf widersprach dem – der Wiener Landeshauptmann Michael Häupl (SPÖ) habe gesagt, das sei eine Zukunftsvision, die man anstreben sollte. Kopf sprach sich vehement gegen eine solche „staatliche Zwangserziehung“ aus. Das Kindeswohl müsse im Vordergrund stehen.

Harald Walser

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Harald Walser (Grüne) spricht in Sachen Kinderbetreuung von Recht statt Pflicht.

Walser ist der Meinung, dass Eltern ein Recht auf eine „anständige Betreuung“ ihres Kindes haben sollten. Es gebe viele Alleinerziehende und Patchworkfamilien. Jedoch rede niemand von einer Pflicht. Das wäre absurd, so Walser. Woran man ansetzen müsse sei die Kindergartenausbildung. Österreich sei in diesem Punkt im Ländervergleich inzwischen Schlusslicht. Dem widersprach Mayer – an der Pädagogischen Hochschule in Vorarlberg gebe es nun etwa die Möglichkeit, einen Elementarpädagogik-Master zu absolvieren.

Für Bachheimer ist der springende Punkt, dass beide Elternteile ganztägig arbeiten gehen müssten und die Kinder einfach zwischengelagert würden – das verstehe er nicht.

Dorn spricht sich für eine freie Wahl beim Kindergarten aus. Zudem schlägt er vor, jährlich Entwicklungstests mit Kindern durchzuführen, um Defizite frühzeitig zu erkennen.

Bitschi ist gegen einen verpflichtenden Ganztageskindergarten. Eltern sollten selbst entscheiden können – genauso stellt er es sich auch mit einer Gesamtschule vor.

Manfred Dorn

ORF

Manfred Dorn (BZÖ) nannte Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, „Berufskiller“.

Wirbel um Dorn-Sager

Eine Publikumsfrage, die von der Christlichen Partei (CPÖ) eingebracht wurde, sorgte gegen Ende des Diskussionsabends für Aufregung. In den Raum geworfen wurde die Frage, wie die einzelnen Parteien zu einem Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein stehen. Dorn sprach sich strikt gegen eine Abtreibung auf Krankenschein aus – das wäre fast schon ein Fall für Frank Stronach, sagte er, denn die Ärzte, die das machten, „sind auch Berufskiller“, so Dorn. Walser verlangte eine Entschuldigung für diese Aussage – eine Aufforderung, der Dorn nicht nachkam.

Mayer sprach sich gegen den Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein aus. Walser erklärte, Frauen in einer Notsituation müssten unterstützt werden – aber nicht auf Krankenschein. Dieselbe Meinung hat auch Kopf, der außerdem für bessere Beratungsangebote plädiert.

Auch Bachheimer möchte nicht, dass Schwangerschaftsabbrüche staatlich finanziert werden. Vielmehr sollte mehr Geld in die Familienpolitik fließen anstatt an marode Banken, sagte er. Bitschi ist dafür, generell das Bild der Familie zu stärken und ihr steuerliche Entlastungen zu verschaffen.

Das Familienbild stärken will auch Kopf. Die ÖVP wolle Maßnahmen setzen, die wieder „mehr Mut zum Kind“ machen.

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