Urteil: Zwölf Monate bedingte Haft für Mayer

Im fortgesetzten Prozess am Salzburger Landesgericht gegen einen Richter eines Vorarlberger Bezirksgerichtes und seine Mitarbeiterin wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs wurden beide im Sinne der Anklage schuldig gesprochen.

Der mittlerweile suspendierte Gerichtsvorsteher Erich Mayer erhielt zwölf Monate bedingte Haft, die Kanzleileiterin neun Monate bedingt. Die Probezeit beträgt für beide Beschuldigten drei Jahre.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig: Die Angeklagten meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung an. Die beiden Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gaben keine Erklärung ab.

Kein automatischer Amtsverlust

Bei einer unbedingten Haftstrafe von sechs Monaten, oder einer bedingten Strafe über zwölf Monaten, verliert ein Richter sein Amt. Im Fall von Mayer bedeutet ein Urteil von zwölf Monaten also kein automatischer Amtsverlust. Das bedeutet, er dürfte trotz eines Urteils wegen Amtsmissbrauch weiterhin als Richter tätig sein.

„Haken rauf, Haken runter, das genügt“

Der mittlerweile suspendierte Gerichtsvorsteher Erich Mayer soll laut Anklage eine Kanzleileiterin von Frühjahr 2008 bis Sommer 2010 angewiesen haben, mit seiner Paraphe (Kurzunterschrift) in 1.500 Exekutionsakten Verfügungen und Beschlüsse zu unterzeichnen.

Die Anklageschrift zitiert den genauen Wortlaut, mit dem Erich Mayer - suspendierter Vorsteher des Bezirksgerichts Bludenz - seiner Mitarbeiterin das Fälschen der Unterschriften aufgetragen haben soll: „Wenn du schon die Akten vorbereitest, dann kannst du sie auch gleich selbst unterschreiben. Meine Paraphe, also meine Kurzunterschrift, ist ohnehin nicht schwierig, Haken rauf, Haken runter, das genügt.“

„Ermächtigt“ oder „angewiesen“?

Auf diesen Worten Mayers gründet die Korruptions-Staatsanwaltschaft den Vorwurf des Amtsmissbrauchs. Die Verteidigung hält dagegen: Amtsmissbrauch liege keiner vor, denn Mayer habe die Frau nicht „angewiesen“, sondern nur „ermächtigt“ zu unterschreiben - und das mache rechtlich einen Unterschied. Außerdem wäre die Arbeit am Gericht wegen Personalmangels zum Erliegen gekommen, wenn man immer auf die Unterschrift des Richters hätte warten müssen.

Zeuge: „Nur Spitze des Eisberges“

Für den zweiten Verhandlungstag im Landesbezirksgericht Salzburg wurden am Donnerstag insgesamt 15 Zeugen geladen, darunter Bedienstete und Ex-Mitarbeiter des Vorarlberger Bezirksgerichtes sowie ein Schriftgutachter.

Als erster Zeuge wurde der ehemalige langjährige Leiter der Exekutionsabteilung am Bezirksgericht Bludenz einvernommen. Der pensionierte Gerichtsbedienstete schilderte dem Vorsitzenden des Schöffensenates, Richter Manfred Seiss, dass die in der Anklage genannte Zahl an Exekutionsakten nur die „Spitze des Eisberges“ sei. „Ich habe zahlreiche Wahrnehmungen von 2008 bis 2010 gemacht. Das ist stapelweise vorgekommen. Ich denke, es wird um eine mehrfach höhere Zahl sein.“

„Überlastungen und Mangel an Rechtspflegern“

Trotz Rechtspflegerzuteilungen habe die 52-jährige Angeklagte Exekutionsbeschlüsse unterschrieben, erklärte der Pensionist. „Es hat offensichtlich Überlastungen in der Exekutionsabteilung beziehungsweise einen Mangel an Rechtspflegern gegeben. Aber es war mit kurzfristigen Unterbrechungen immer einer da.“ Er habe die Beschuldigte im Sozialraum des Gerichtes und auch privat darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich strafbar mache. „Ich sagte zu ihr: Du spinnst ja.“

Zeugin bestätigt Unterschriftenfälschung

Des weiteren wurde am Donnerstag eine Frau als Zeugin einvernommen, die schon seit fast 20 Jahren am Bezirksgericht Bludenz arbeitet. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der 24. Februar 2009. An diesem Tag sei der Sohn von Richter Mayer auf die Welt gekommen, darum sei Mayer nicht am Gericht gewesen. Trotzdem seien Akten, die an diesem Tag entstanden sind, mit der Unterschrift des Richters versehen gewesen. Damit sei dann klar gewesen, dass die Unterschriften gefälscht worden seien.

Als sie die Vertragsbedienstete darauf hingewiesen habe, habe diese geantwortet, dass das jetzt ihre Arbeit sei, sie unterschreibe schon lange für den Richter, erzählte die Zeugin. Aus Angst, sie verliere ihren Arbeitsplatz, habe sie zu dem Richter nichts gesagt, erklärte die Gerichtsmitarbeiterin. Die Vertragsbedienstete habe ja fortlaufend Akten unterschrieben. „Wir haben im Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Exekutionen. X-mal haben wir zu ihr gesagt, sie soll das nicht unterschreiben. Ich habe das sehr oft gesehen.“

Zeugin berichtet von „feuchtfröhlichen“ Verhältnissen

Insgesamt zeichnete die Zeugin kein gutes Bild von den Zuständen am Bezirksgericht Bludenz. Immer wieder sei es während der Arbeitszeit feuchtfröhlich zugegangen. Während die einen Alkohol getrunken hätten, hätten die anderen umso mehr arbeiten müssen.

Angeklagte: Es waren keine Beschlüsse dabei

Bei der Einvernahme der Angeklagten vor vier Wochen hatten die Angeklagten betont, dass nur Aktenstücke von untergeordneter Bedeutung von der Mitarbeiterin anstelle des Richters unterschrieben worden seien - mehr dazu in Prozess gegen Erich Mayer vertagt. Beschlüsse, so die Angeklagten, seien keine dabei gewesen. Die Verteidigung hatte demnach offenbar damit kalkuliert, dass unter diesen Umständen möglicherweise kein Amtsmissbrauch vorliege. Diese Verteidigungslinie aufrecht zu erhalten, ist im Lichte der Zeugenaussagen am Donnerstag sicher schwieriger geworden.

Bildstein: 2010 von Manipulationen erfahren

Heinz Bildstein, Präsident des Landesgerichts Feldkirch, sagte am frühen Nachmittag vor Gericht aus. Er gab an, er habe zum ersten Mal im Sommer 2010 von möglichen Unterschriftenmanipulationen am Bezirksgericht Bludenz gehört und daraufhin die Gerichtsmitarbeiterin einvernommen. Die Frau habe unter Tränen eingeräumt, die Unterschrift von Richter Mayer gefälscht zu haben.

Staatsanwältin forderte Schuldspruch

Staatsanwältin Alexandra Maruner räumte in ihrem Schlussplädoyer ein, dass die Verhältnisse am Bezirksgericht Bludenz schwierig waren. Das rechtfertige aber keinen Amtsmissbrauch. Die Angeklagten müssten deshalb schuldig gesprochen werden, so Maruner.

„Weder die Personalnot am Bezirksgericht noch die schwierigen menschlichen Verhältnisse zwischen den handelnden Personen schützen die Angeklagten vor Strafe“, so die Staatsanwältin. Und weiter: Auch wenn die von der Gerichtsmitarbeiterin unterschriebenen Schriftstücke inhaltlich korrekt gewesen seien, sei ein Schaden eingetreten. Der Staat sei in seinem Recht geschädigt worden, dass nur zur Rechtspflege berufene Organe entsprechende Entscheidungen treffen und das sei am Bezirksgericht Bludenz nicht geschehen.

Der Angeklagte, Erich Mayer, hatte vor den Plädoyers noch einmal das Wort ergriffen und wiederholt: Er hätte nie gedacht, dass die inkriminierte Praxis am Bezirksgericht Bludenz ein strafrechtliches Problem darstellen könnte.