Testamentsfälscherprozess: Nachbetrachtung
Richter Andreas Posch hat niemanden geschont, auch nicht die Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch Kornelia Ratz. Auch sie muss, wie alle - mit Ausnahme des pensionierten Gerichtsbediensteten - in Haft. Voraussetzung ist, dass die Urteile rechtskräftig werden. Zu berücksichtigen hatte das Gericht, dass es sich bei Kornelia Ratz um die Vizepräsidentin des Landesgerichts handelte. Sie war auch Sprecherin der Richtervereinigung in Vorarlberg.
Grubhofer: „Gut begründetes Urteil“
Der Vorarlberger Anwalt Martin Mennel hält die Urteile für angemessen. Die Höhe der verhängten Strafen mache es möglich, dass diese von einigen der Verurteilten doch angenommen werden könnten, so Mennel.
Auch Klaus Grubhofer, Verteidiger des Hauptangeklagten Jürgen H., der mit sieben Jahren Haft die höchste Strafe bekommen hat, erachtet die Urteile als gerecht. Richter und Schöffensenat hätten an Klarheit, Deutlichkeit und Ausgewogenheit im Urteil nichts zu wünschen übrig lassen, so Grubhofer: „Es ist ein hervorragendes, ausgewogenes, gut begründetes Urteil.“
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Video: Reaktionen zu den Urteilen im Testamentsfälscherprozess; Zu sehen sind Klaus Islitzer, Paulina Islitzer, Rene Hediger, Katharina Bär, Viktoria Hofer, Martin Mennel (Strafverteidiger), Klaus Grubhofer (Strafverteidiger von Jürgen H.); Beitrag von Gernot Hämmerle, Tobias Becker, Christina Lachner
Fussfessel oder Haft
Kornelia Ratz kann möglicherweise um eine Fußfessel ansuchen. Im Paragraf 156 Strafvollzugsgesetz wird das Sträflingen ermöglicht, bei denen die zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt - Ratz wurde zu zehn Monaten unbedingter Haft verurteilt. Es gibt allerdings noch mehrere Bedingungen für eine Fußfessel. Die Frage: „Haft oder Fußfessel?“ stellt sich aber erst, wenn die Urteile rechtskräftig werden.
Urteile noch nicht rechtskräftig
Die Bedenkzeit ist auf drei Tage angesetzt. Alle Urteile sind derzeit nicht rechtskräftig, weil beide Staatsanwälte noch keine Erklärung abgegeben haben. Der Hauptangeklagte Jürgen H. hat als Einziger an Ort und Stelle sein Urteil akzeptiert. Es wird rechtskräftig, wenn nun auch die beiden Ankläger ihrerseits damit einverstanden sind.
Nur einmal Rechtsmittel angemeldet
Klar ist auch, dass Kornelia Ratz bislang die Einzige ist, die ihr Urteil bekämpfen will und wird - und zwar mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Bis Ende der Woche wird sich herausstellen, ob die anderen Verurteilten es ihr gleich tun werden.
Rechtsmittel gehen zunächst zum Obersten Gerichtshof. Dieser entscheidet über die Nichtigkeitsbeschwerde. Bei dieser wird geprüft, ob es Verfahrensmängel gab. Notfalls muss das Verfahren nochmals durchgeführt werden. Eines ist aber klar: Das Damokles-Schwert Nichtigkeitsbeschwerde schwebt über jedem Verfahren und Richter Andreas Posch war sich der Bedeutung dieses Prozesses mehr als bewusst. So war er äußerst bedacht darauf, dass ihm keine Verfahrensfehler unterlaufen.
Kornelia Ratz will aber auch gegen die Strafhöhe berufen. Auch darüber kann der Oberste Gerichtshof entscheiden oder die Entscheidung im Fall Ratz ans Oberlandesgericht Linz verweisen.
Auch höhere Strafen möglich
Wenn auch die Staatsanwaltschaft beruft, kann sich die Strafe erhöhen. Statistisch gesehen gibt es diesbezüglich in Österreich ein klares Ost-West-gefälle. Sprich: Je näher man an die Gerichte im Osten gerät, desto härter fallen die Strafen aus.
Richter Andreas Posch hat am Dienstag gesagt, er werde drei Monate lang brauchen, um die Urteile schriftlich auszufertigen. Sobald die Anwälte und die Ankläger sie in der Hand haben, haben sie vier Wochen Zeit, angekündigte Rechtsmittel auszufertigen. Je nachdem wie schnell der Oberste Gerichtshof dann die Sache anpackt, kann es auch erst nächstes Jahr eine Entscheidung geben. Zum Vergleich: Auf den rechtskräftigen Freispruch musste der Feldkircher Bürgermeister Wilfried Berchtold noch ein halbes Jahr lang warten.
Staatsanwalt Bolter macht weiter
Der Feldkircher Staatsanwalt Manfred Bolter hat sich zudem immer vorbehalten, noch mehr Personen in dieser Affäre anzuklagen. Zu Beginn dieses Verfahrens hatte er ja gesagt, er habe vorerst nur „die dicksten Stämme dieses Geflechts“ angeklagt, das „Unterholz“ - um es mit seinen Worten zu sagen - habe er weggelassen, denn sonst wäre die Anklage zu umfangreich und unübersichtlich geworden. Richter Posch hat ebenso gesagt, dass auch er glaube, dass im Rahmen des Prozesses nur die Spitze des Eisbergs behandelt worden sei. Wenngleich er einschränkte: Es seien wohl schon zu viele Spuren verwischt worden.
Es ist aber dennoch nicht ausgeschlossen, dass es noch weitere Anklagen und Verfahren zur Testamentsfälscheraffäre geben könnte.
Links:
- Alle Angeklagten schuldig gesprochen (vorarlberg.ORF.at, 31.7.2012)
- Testamentsprozess: Die Urteilsbegründungen (vorarlberg.ORF.at, 31.7.2012)
- Testamentsaffäre: Urteile als „Zwischenschritt“ (vorarlberg.ORF.at, 31.7.2012