„Miteinander reden: Kommunikation und Ethik in einer vernetzten Welt“

Univ.-Prof. Dr. Claus Eurich von der Technischen Universität Dortmund spricht diese Woche in „Focus“ zum Thema „Miteinander reden – der Verständigung dienen - Kommunikation und Ethik in einer vernetzten Welt“. Der Vortrag wurde beim Montagsforum in Dornbirn aufgezeichnet.

Sendehinweis:

„Focus“, 24.10.2015, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg

„Wir leben in keiner Welt der Vergebung, sondern in einer Welt, die unüberschaubar geworden ist, die sich täglich an Komplexität steigert, die im Bereich der Kommunikation hochtechnisiert ist,“ lautet der Befund von Claus Eurich. Ohne die Mobilkommunikation und die sozialen Netzwerke wären weder die arabischen Frühlinge denkbar gewesen, noch die großen Migrationsströme, die wir heute haben.

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Die Mensch-Maschine Symbiose kommt im Umgang der Menschen mit den Smartphones ans Tageslicht. Das ganze globale Bewusstsein wäre ohne die Technologien nicht denkbar. Wichtig für die Zukunft sei, dass sie dem friedlichen Miteinander und der Verständigung dienen und uns nicht in neue Abgrenzungs-kulturen hineinführen, betont Claus Eurich.

Neue Schritte machen

Wir müssen auf der Ebene des Miteinanders und der Kommunikation lernen, neue Schritte zu gehen,sagt Eurich. "Mensch sein heißt kommunizieren. Der Mensch ist Kommunikation, er ist nicht ohne Kommunikation. Alles, was wir - auf allen Ebenen des Menschseins - tun, ist Kommunikation. Alles, was wir in uns tragen, vermitteln wir auf deutlichste Weise. Wenn Kommunikation gelingt, ist es das, was wir Mitteilung nennen. Wir teilen etwas - wir teilen etwas miteinander. Wir teilen nicht nur Worte und Inhalte, sondern unser ganzes Menschsein, so wie wir jetzt da sind, in dieser Situation, mit unseren Sorgen, Ängsten und Gefühlen, mit unserem ganzen So-geworden-Sein.

Claus Eurich

privat

Claus Eurich

Es geht nie nur um das gesprochene Wort, sondern um alles, was damit verbunden ist und was dahinter steht, und erst dadurch kommt Bedeutung zustande. Das ist gerade im interkulturellen Zusammenhang eine Herausforderung", umschreibt Prof. Eurich Kommunikation.

Kommunikation ist Arbeit

Kommunikation stifte Beziehung auf allen Ebenen und halte sie am Leben. Kommunikation habe immer drei Ebenen, die es zu berücksichtigen gelte: einen Inhalts-, einen Ausdrucks- und einen Beziehungsaspekt. Genau diese 3 machten Kommunikation hochkomplex und störanfällig, betont der Kommunikationswissenschaftler.

„Kommunikation ist deswegen immer ein Kampf, ein Ringen; Wenn es um das ICH und das DU geht, geht es um die kleine Schnittmenge, wo wir gemeinsam sind - die gleiche Sprache, das Verständnis, wo wir uns nicht weiter erklären müssen und dann gilt es diese Schnittmenge Stück für Stück zu erweitern. Wir werden aber nie eine völlige Deckungsgleichheit zwischen dem ICH und DU erreichen. Es wird immer eine Differenz, es werden immer Missverständnisse bleiben. Kommunikation ist Arbeit mit uns selbst, mit dem Anderen und dem Fremden.“

Die Tugendlehre des Thomas von Aquin

In der Tugendlehre hat Thomas von Aquin vier Kardinaltugenden für das Menschsein entwickelt.

1. Klugheit meint, werde dir als Mensch selbst gerecht. Sieh dich als Entwicklungswesen und als Prozess an. Klugheit ist das kontinuierliche Hinauswachsen so wie ich bin und so wie ich zu sein glaube.

2. Gerechtigkeit: Das, was zwischen menschen passiert. dem Leben und dem anderen Menschen gegenüber.

3. Tapferkeit: Du darfst hinter das, was du einmal als das Richtige und Angemessene gesehen hast , nicht zurückfallen. Wenn du nicht bereit bist, für deine Gewissheiten einzustehen, sind es keine.

4. Das angemessene Maß: in angemessenen Größenordnungen mit allen umgehen. Der Umgang mit Dingen, mit eigenen Emotionen, und das Verhalten und die Beziehung zu anderem Leben.

Die gewaltfreie Kommunikation

Für Eurich sind Jesus und die Bergpredigt die erste Anleihe zur gewaltfreien Kommunikation. Auf Mahatma Gandhi gehen die Ethik des gewaltfreien Widerstands sowie sein ziviler Ungehorsam gegen Unterdrückerregime zurück.

Als dritte Persönlichkeit verweist Prof.Eurich auf Nelson Mandela, der uns die Vergebung, die Versöhnung „aber nicht die Vergeltung gelehrt hat“. Nach 27 Jahren Haft übernimmt er den ANC (African National Congress). Er richtet Versöhnungskommissionen ein, die die Nation mit Tätern und Opfern und letztlich mit sich selber versöhnen soll. Als vierten zitiert Eurich den Roman MOMO von Michael Ende, der sich durch sein Hören auszeichnet.

Kriterien für Kommunikation

Wahrhaftigkeit als das Fundament aller zwischenmenschlichen inter-kulturellen Kommunikation.

Das Prinzip des Nicht-Verletzens: der „Spirit of Non-violence“. Es meint, es beginnt immer alles in Gedanken. Das Bewusstsein soll gewaltfrei sein. Man soll nicht willentlich anderes Leben verletzen. Worte sollen Geminschaft stiften bzw. herstellen.

Empathie als die höchste diffizile Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Die Nähe, die ich brauche um die andere Kultur zu verstehen. Die Distanz, die ich benötige, um doch mein eigener „Herr“ zu bleiben.

Das Hören als das am stärksten verlorene Kulturgut überhaupt.

Die Offenheit und Herrschaftsfreiheit; es geht dabei darum, dass wir uns verstehen und näherkommen. Damit wir uns auf Augenhöhe von Leben zu Leben, von Mensch zu Mensch, von Land zu Land begegnen.

Widerspruchstoleranz meint, die Welt ist nicht eindeutig. Es gibt immer verschiedene Wahrheiten und Gewissheiten.

Letztlich benötigen wir für eine gelingende Kommunikation Vergebung und Nachsicht und Gelassenheit.

Zur Person:

Prof. Dr. Claus Eurich ist Hochschullehrer am Institut für Journalistik der TU Dortmund u.a. mit den Schwerpunkten Ethik, Kommunikation und Führung. Er ist Kontemplationslehrer und in der Weiterbildung von Führungskräften engagiert. Autor zahlreicher philosophischer und spiritueller Bücher.

Aktuelle Literatur von Claus Eurich:

Über den eigenen Schatten springen. Vom Ego in die Liebe zum Leben. Erschienen im Petersberg-Verlag 2015

Führungskunst, Ethik, Kommunikation, Motivation, Vision, Integrale Vernunft. Erschienen im via-nova-Verlag 2015.

Musik:

CD* NYLON & STEEL
T* Odeon/instr.

CD* HERE, THERE AND EVERYWHERE - GÖRAN SÖLLSCHER PLAYS THE BEATLES
T* Here comes the sun/instr.

LP* Souvenirs de la Belle Epoque
T* Tango odeon
U* Piano four hands