Udo Baer: „Geheime Quellen der Schulangst“

In dieser Woche spricht Dr. Udo Baer über die Schulangst. Es gebe eine Reihe von Ängsten, bei denen das Kind plötzlich nicht mehr zur Schule gehen will, so Baer. Die Gründe seien nicht immer klar zu erkennen. (Wiederholung der Sendung vom 8. September 2012).

„Es gibt eine Reihe von Ängsten, die Kinder oder Eltern bzw. Kinder und Eltern belasten, diffuse Ängste, wo das Kind plötzlich nicht mehr zur Schule will. Das Kind Schwierigkeiten hat, zur Schule zu gehen und man weiß nicht warum, ist hilflos und man weiß nicht weiter,“ berichtet Baer aus seiner therapeutischen Praxis.

Sendungshinweis: Samstag, 7. September 2013, 13.00 bis 14.00 Uhr und Donnerstag, 12. September, 21.00 bis 22.00 Uhr, Radio Vorarlberg (Wiederholung der Sendung vom 8. September 2012)

Die wichtigen Vor-„Geschichten“

Es sei eine extreme Situation, wenn ein Kind sage: “Ich gehe nicht mehr zur Schule.“ Da gebe es oft lange Vorgeschichten, bis es so weit sei, sagt Baer. In den Vorgeschichten liege nicht selten das Material, das die Schulangst oder das Schwänzen der Schule offenlege.

Audio: Die Focus-Sendung zum Nachhören

Die Vorgeschichte werde nicht selten übersehen oder zu wenig berücksichtigt, falsch interpretiert und deshalb sei es wichtig, hier genau hinzuschauen, empfiehlt Udo Baer. „Ich habe es selten erlebt, dass ein Kind sagt, ich habe Angst vor der Schule oder ich werde so eine krasse Schulangst haben, dass ich nicht mehr hingehe; aber was ich erlebe ist, dass Kinder ein Unbehagen haben, dass sie es als Eltern erleben, dass Kinder lange Zeit sehr freudig sind, zur Schule gehen zu dürfen, Spaß haben und dann kippt es plötzlich; man kann es sich nicht erklären, vielleicht ist es Laune, ist es eine schlechte Zeit, vielleicht hat sich in der Schule ein bisschen etwas verändert und es kippt etwas in der Stimmung.“

Zeichen für beginnende Schulangst

Das Unbehagen äußere sich diffus. Aufmerksame Eltern spürten das, sagt Udo Baer. Manchmal komme Schulangst auf leisen Pfoten daher. Zum Beispiel, wenn ein Kind keine anderen MitschülerInnen mehr zum Geburtstag einladen wolle. Auf Nachfragen komme die Antwort, die hätten alle keine Zeit oder das Kind habe keine Lust mehr auf die Schulkollegen oder die seien ihm/ihr zu doof.

„In Wirklichkeit ist das aber schon ein Zeichen, dass das Kind schon vereinsamt ist, dass es zwar rein äußerlich noch, innerlich aber nicht mehr zur Schule geht, dass es in der Schule ist, sich aber nicht mehr im inneren Kontaktnetz zur Schule sich befindet“, beschreibt Baer die Signale.

Auch Krankheiten könnten ein verdecktes Gesicht sein: etwa die Montagmorgen-Schmerzen oder Schmerzen vor einer Schularbeit. Also Schmerzen die im Wechsel vom Wochenende oder von den Ferien zur Schule auftreten, sagt Baer.

Warnsignale

„Wenn Kinder verstummen und nichts mehr erzählen; es kann bedeuten, dass Kinder für das, was ihnen auf dem Herzen liegt, keine Worte mehr haben. Sie schämen sich vielleicht dafür, fühlen sich schuldig und wollen ihre Eltern nicht belasten,“ verweist nach Udo Baer auf die Gemengelage, mit der Kinder eine Problemstellung zum Ausdruck bringen.

Das gebe auch das Gegenteil dessen, dass Kinder angstvoll vor der Schule sind: „es steigt eine Erregung in ihnen auf und irgendwann entlädt sie sich; sie machen Unsinn, fallen auf, sie stören durch ihre Auftritte“, umreißt Udo Baer dieses für ihn eindeutige Signal, dass ein Kind verstört sei; es sei ein Schrei, dass sie keinen Weg finden und nach Hilfe zu suchen, so Baer.

Dieses krasse Aufmerksamkeit suchen oder das Buhlen um die Lehrerin, den Lehrer sei ein Zeichen dafür, dass das Kind nach Hilfe suche. Ein weiterer Hinweis sei, dass Kinder ihnen wertvolle Sachen als Geschenk an Erwachsene oder Kinder weitergeben; Das Kind wolle damit andeuten, dass es andere Kinder, LehrerInnen oder Erwachsene gnädig stimmen möchte, unterstreicht Baer.

Quellen der Schulangst

Das könne der Wechsel der Schule, eines Lehrers oder eines/einer Mitschüler(-in) sein. Wenn ein Kind plötzlich nicht mehr zur Schule gehen möchte, die Freude oder den Lerneifer verliere, dann kündige sich nach Baer Schulangst an. Er sieht die Schule als Ort sozialen Wachstums und nicht nur der Wissensvermittlung; hier werde die soziale und emotionale Entwicklung nach Udo Baer zu gering geschätzt.

Lernen gehe über das Gefühl und wo kein Interesse mehr sei, da sei auch das Lernen unmöglich. Die hohe Empfindsamkeit eines Schülers könne eine Quelle von Schulangst sein, ebenso der allgemeine Druck, der Schülern heute schon im jüngsten Alter gemacht werde; weitere Quellen sind Einsamkeit (durch Wegzug der Freunde, Schulwechsel, Mobbing), Beschämung und Scham.

Zur Person:

Udo Baer ist Gründer der Zukunftswerkstatt „therapie kreativ“ mit der Semnos-Akademie für leiborientierte Forschung und Bildung und zusammen mit Gabriele Frick-Baer Begründer der Kreativen Leibtherapie. Udo Baer ist zudem Vorsitzender der Stiftung Würde.

Homepage Dr. Udo Baer

Literatur:

Keine Angst vor der Schule. Was Eltern tun können, Udo Baer / Waltraut Barnowski-Geiser

Kinderkinder. Herausgegeben von Bernhard Schön, Beltz Verlag