Enttäuschung über Gesetzesverschiebung

Die Bundesregierung plant offenbar, das Erwachsenenschutzgesetz auf die lange Bank zu schieben. Eigentlich sollte das Gesetz, das Behinderten mehr Selbstbestimmung einräumt, im Juli in Kraft treten. In Vorarlberg ist man enttäuscht.

Mehr als zwei Drittel der betreuten Personen bei der Lebenshilfe in Vorarlberg sind besachwaltet - das sind rund 700 Menschen, sagt Georg Matzak, Geschäftsbereichsleiter des Bereichs „Mobile Dienste. Ihnen hätte das neue Erwachsenenschutzgesetz mehr Eigenständigkeit bringen sollen. Bei der Lebenshilfe war man geschockt, als man erfuhr, dass das Gesetz erst in zwei Jahren oder später kommen soll.

„Wir glauben, dass der Gesetzesentwurf ein Riesen-Meilenstein in Richtung Autonomie und Selbstbestimmung ist“, so Matzak. Wenn das Gesetz nicht wie geplant mit 1. Juli in Kraft trete, erachte man das als „Rückschritt“. Auch die Caritas Vorarlberg reagiert verständnislos. Die Regierung erspart sich laut Direktor Walter Schmolly nicht viel, es ist für ihn nicht nachvollziehbar, warum ein einstimmig beschlossenes Gesetz jetzt auf die lange Bank geschoben werden soll.

30 Jahre altes Recht soll abgelöst werden

Wie am Montag bekannt wurde, will die Bundesregierung das Erwachsenenschutzgesetz verschieben, weil das Geld dafür fehle - mehr dazu in news.ORF.at. Das Gesetz ist im Vorjahr im Nationalrat einstimmig beschlossen worden. Es sollte das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Damit sollte die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Stattdessen sollte es abgestufte Formen der Vertretung geben. Die Bundesregierung hat sich zu dem Thema noch nicht geäußert.

SPÖ: „Einer Demokratie nicht würdig“

Kritik kommt auch von der Vorarlberger SPÖ. Das Gesetz mit Verweis auf die Kosten zu verschieben, sei einer Demokratie, die sich selbst ernst nehme, nicht würdig, so Reinhold Einwallner in einer Aussendung: „Die Bundesregierung würde damit die Entmündigung von Erwachsenen fortsetzen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Er erwarte sich von Landeshauptmann Markus Wallner, dass er Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) zur Vernunft bringe.

Ähnlich auch die Reaktion des SPÖ-nahen Pensionistenverbands. „Die 60.000 Menschen, die in Österreich besachwaltert werden, dürfen nicht mehr länger hingehalten werden“, so Landespräsident Erich De Gaspari in einer Aussendung.

Michalke: Löger soll sich „besinnen“

Auch die freiheitliche Sozialsprecherin Cornelia Michalke fordert ein rasches Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes. „Sparsamkeit ist sicherlich notwendig, hier träfe es allerdings eine der hilfsbedürftigsten Bevölkerungsgruppen, die unser aller Hilfe benötigen", so Michalke in einer Aussendung. „Es ist notwendig, dass Finanzminister Löger sich besinnt und die notwendigen Mittel, die vergleichbar gering sind, zur Verfügung stellt.“

Aydin will zügige Umsetzung

„Ich bin entrüstet, dass die türkis-blaue Bundesregierung dieses Gesetz, welches so vielen Menschen den Weg zu mehr Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung geebnet hätte, mit dem Vorwand des Sparens vom Tisch fegt“, sagt auch die grüne Landtagsabgeordnete Vahide Aydin. Sie fordert, dass das Gesetz zügig umgesetzt wird.